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Nagoya-Protokoll, Blockchain Technologie und wie eine technische Umsetzung die Situation verbessern kann
Nagoya-Protokoll Daten auf der Blockchain (05.11.2021)
Förderjahr 2018 / Project Call #13 / ProjektID: 3593 / Projekt: NagoyaBlockchain

Das Nagoya-Protokoll regelt Zugang zu genetischen Ressourcen, die ausgewogene & gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile.

Das Nagoya-Protokoll wurde 2010 von den Vertragsstaaten des Übereinkommens über die biologische Vielfalt in Japan angenommen. Österreich hat das Protokoll 2011 unterzeichnet, die entsprechende EU Vorordnung hierzu: EU-VO 511/2014.

 

Die Grundidee

Genetische Ressourcen werden in vielen Branchen genutzt, etwa in der Pflanzen- und Tierzüchtung wie auch in der Kosmetik-, Pharma- und Agrarindustrie. Diese stammen oft aus dem globalen Süden. Die Grundidee des Nagoya-Protokolls ist, den Staat bzw. die indigene Gemeinschaft, aus der eine genetische Ressource etwa ein traditionelles Heilkraut, Wurzelextrakte, oder die Samen spezieller Bohnensorten entnommen werden, an der kommerziellen Nutzung dieser Ressource teilhaben zu lassen. Zu diesem Zweck schafft das Nagoya-Protokoll die Grundlage für einen Vorteilsausgleich, der monetär als auch nichtmonetär erfolgen kann. Damit soll ein Beitrag zum Erhalt und zur nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt geleistet werden.

 

Bio-Piraterie: Eine ernsthafte Bedrohung für die Biodiversität

Ein typischer Fall von Bio-Piraterie: Ein Unternehmen erfährt von den Vorteilen einer sich im Ausland befindenden genetischen Ressource. Dabei handelt es sich z.B. um hohe Dürreresistenz, besonders guten Geschmack, gutes Aroma, oder sogar um heilende Eigenschaften. Das Unternehmen nimmt die Ressource und das damit verbundene traditionelle Wissen mit. Werden diese speziellen Eigenschaften als Ware kommerzialisiert, kommen geistige Eigentumsrechte ins Spiel: Die Konzerne lassen sich etwa gerne Pflanzen oder ihre Eigenschaften patentieren, obwohl diese nicht „erfunden“, sondern in der Natur gefunden wurden. Der Staat oder die indigene Gemeinschaft, der/die die Ressource über Jahrhunderte hinweg erhalten hat, geht hingegen leer aus. Die sich aus der wirtschaftlichen oder wissenschaftlichen Vermarktung ergebenden Profite werden nicht mit ihm geteilt. Damit geht wichtiges Geld, das in die Erhaltung der Biodiversität fließen sollte, verloren.

 

Zugangsregeln und Vorteilsausgleich

Das Nagoya-Protokoll schafft konkrete Verpflichtungen für alle NutzerInnen genetischer Ressourcen – also Pflanzen, Mikroorganismen oder Tiere. Es betrifft multinationale Pharma-, Kosmetik- und Lebensmittelkonzerne, aber auch Universitäten, Forschungseinrichtungen, Genbanken, botanischen Gärten, PflanzenzüchterInnen und private SammlerInnen. Das Protokoll stützt sich auf zwei Säulen:

  • „Zugangsregeln“ und
  • „Vorteilsausgleich“

Bringt jemand ein Produkt, das durch Nutzung von genetischen Ressourcen entwickelt wurde, auf den Markt, muss vorab nachgewiesen werden, dass

  1. die Ressource rechtskonform im Ursprungsland erworben wurde und
  2. die einvernehmlich vereinbarten und vertraglich festgelegten Bedingungen zum sogenannten Vorteilsausgleich eingehalten wurden. Die Vergütung wird als „Vorteilsausgleich“ bezeichnet und kann monetär und nicht monetär erfolgen. Der Vorteilsausgleich findet über einen bilateralen Vertrag zwischen BereitstellerIn und NutzerIn der Ressource statt („mutually agreed terms“ – „MAT“).

Die in weiterer Folge bestehenden Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs-, Weitergabe- und Erklärungspflichten sind in der EU-VO 511/2014 dargelegt.

 

Zuständige Behörden, Sanktionen und Kontrollen

Das Nagoya-Abkommen und die EU-VO 511/2014 verpflichten die europäischen Länder, die notwendigen gesetzlichen und administrativen Maßnahmen zu ergreifen, damit die Nagoya-Vorschriften durch NutzerInnen in ihrem Hoheitsgebiet eingehalten werden. Zu diesem Zweck sind zuständige Behörden zu bezeichnen, die überprüfen, ob die NutzerInnen ihren Verpflichtungen über den Vorteilsausgleich nachkommen.

In vielen Ländern wurde das Pendant zum Umweltbundesamt als zuständige Behörde nominiert. Um ihre Aufgabe entsprechend wahrnehmen zu können, sind die zuständigen Behörden mit ausreichend personellen und finanziellen Ressourcen auszustatten. Denn die Kontrollen müssen effektiv, wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und auch Vor-Ort-Kontrollen und Abhilfe- bzw. Sofortmaßnahmen umfassen.

 

Checkpoints

Länder wie z.B. die Schweiz und Dänemark haben die Kontrollfunktion des Staates sehr effizient, aber auch wirkungsvoll umgesetzt. Ihre Grundidee: Durch die Einführung von „Checkpoints“ soll systematisch sichergestellt werden, dass im Rahmen von Zulassungsverfahren die Nagoya-Vorschriften eingehalten werden. So wird z.B. im Rahmen der Zulassungsverfahren oder bei der Patenterteilung geprüft, ob die Nagoya-Vorschriften eingehalten wurden. Zu diesem Zweck muss die Einhaltung der Nagoya-Vorschriften vor der Marktzulassung dem Bundesamt für Umwelt gemeldet werden. Erst wenn die Nagoya-Meldung gem. Art 4 Abs 3 VO 511/2014 erfolgt ist, erteilen die Behörden die entsprechende Zulassung bzw. das Patent

Solche automatischen „Checkpoints“ wären in Österreich z.B. das BMNT (Chemikalien und Biozide, ...), BMASGK (Biotechnologie, Lebensmittel, ...), Patentamt, Bundesamt für Ernährungssicherheit (Düngemittel, Futtermittel, Pflanzenschutzmittel, Pflanzgut, Saatgut, …), AGES (Arzneimittel, Lebensmittel, …), Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (Arzneimittel) usw.

 

Blockchain Technologie

Blockchain kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie „Block – Kette“. Man kann sich eine Blockchain, als eine Art verteilter Datenbank vorstellen, in der Daten gespeichert werden. Den Anfang macht der „Schöpfungsblock“, alle weiteren Blöcke werden zuerst überprüft und danach chronologisch hinten angehängt. Man kann diese Datenbank auch mit einem gigantischen Kassenbuch vergleichen, bei dem aber nur neue Einträge hinzugefügt werden können, aber vorhandene Einträge nie verändert oder gelöscht werden können.

 

Was macht Blockchain Technologie einzigartig?

Da die Blockchain ähnlich wie eine verteilte Datenbank funktioniert, liegt diese nicht auf den Servern einer einzigen Firma oder Institution, sondern jeder NutzerInnen oder TeilnehmerInnen hat eine eigene und vollständige Kopie.  Die Blockchain ist fälschungssicher, denn jeder neue Block ist mit dem vorhergehenden Block verbunden und enthält die Historie in Form von dessen Prüfsumme. Zusätzlich enthält jeder Block auch noch die Prüfsumme der gesamten Kette, damit ist auch die Reihenfolge der Blöcke immer eindeutig. Korruption oder Manipulation kann somit erkannt und verhindert werden. In einer Blockchain gespeicherte Informationen sind aus Prinzip echt und unveränderlich und brauchen deswegen niemanden mehr, der sie verwaltet oder beglaubigt, dadurch sind Ansätze ohne Vermittlungsstellen möglich.

 

Der Lösungsansatz

Mit Hilfe der Blockchain Technologie können dezentral alle Bewegungen der genetischen Ressourcen erfasst und dokumentiert werden. Dazu kann der Aufbau des Netzwerkes als private Blockchain erfolgen. Neue TeilnehmerInnen können erst nach Absprache bzw. Legitimation durch einen bestehenden TeilnehmerInnen, dem Netzwerk beitreten. Dadurch verbindet sich die Grundanforderung einer dezentralen Datenspeicherung mit dem Anspruch eines stabilen und vor Missbrauch geschützten Netzwerks.

Jeder TeilnehmerInnen kann zu jeder Zeit alle Transaktionen von allen TeilnehmernInnen einsehen, dadurch wird das notwendige Vertrauen zwischen allen TeilnehmernInnen geschaffen.

Auf der Blockchain werden sämtliche für das Nagoya-Protokoll notwendigen Informationen abgelegt. Das sind im Besonderen:

  • Ressourcenbeschreibung
  • Vertragsdokumente
  • Eindeutige Kennung von Sender und Empfänger

Zusätzlich zur Blockchain Technologie wird ein technisches Service benötigt, dass

  • Die Registrierung von BenutzerInnen und Organisationen zur Verfügung stellt
  • Zugriffe für registrierte BenutzerInnen und Organisationen ermöglicht
  • Die Sammlung und Zwischenspeicherung von Ressourcen als vorbereitende Tätigkeit für das Speichern als Blockchain-Eintrag bereitstellt
  • Implementierung eines Workflows um das rechtskonforme Zustandekommens eines Vertrages sicherzustellen
  • Übergabe der finalen Daten (= Transaktion) an die Blockchain

Als Lösung werden folgende Services entwickelt:

  • Ein Service, dass die Verwaltung rund um das Nagoya-Protokoll, Registrierung der TeilnehmerInnen und Erstellung der Verträge übernimmt und diese in der Blockchain speichert
  • Ein Service, dass es jedem erlaubt, ohne Registrierung oder Authentifizierungszwang, Einblick in die Blockchain zu nehmen zu können

Für die Implementierung der Blockchain wurde das OpenSource Projekt BigChainDB ausgewählt.

Tags:

nagoya blockchain
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