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Hält doppelt wirklich besser?
Der Fall Google Shopping (01.12.2025)
Förderjahr 2025 / Stipendium Call #20 / ProjektID: 7709 / Projekt: Ne bis in idem im Verhältnis zwischen Digital Markets Act (DMA) und Art 102 AEUV

Große Digitalkonzerne unterliegen seit jeher dem klassischen Kartellrecht, inklusive des Verbots des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nach Art 102 AEUV. Seit 2023 gilt für sog Gatekeeper zusätzlich der Digital Markets Act (DMA) – ein neues EU-Gesetz, das besonders mächtige Plattformunternehmen streng reguliert. Bislang hat die Europäische Kommission mit Alphabet, Amazon, Apple, Byte-Dance, Meta, Microsoft und Booking insgesamt sieben Digitalunternehmen als Gatekeeper qualifiziert.

Die im DMA enthaltenen Ge- bzw Verbote überschneiden sich teilweise mit bestehenden kartellrechtlichen Bestimmungen (insb mit Art 102 AEUV). Das wirft spannende Fragen auf: Darf ein Unternehmen für ein und dasselbe Verhalten zweimal bestraft werden – einerseits auf Basis von Art 102 AEUV und andererseits nach DMA? Oder der verstößt das gegen das grundrechtlich verankerte Doppelbestrafungsverbot, wonach niemand für dieselbe Tat zweimal verfolgt bzw bestraft werden darf (sog ne bis in idem-Grundsatz)?

Der Fall Google Shopping

Dieses Spannungsverhältnis wird durch das prominente Google-Shopping Verfahren verdeutlicht: 2017 wurde der Suchmaschinenbetreiber Google wegen Bevorzugung seines eigenen Preisvergleichsdienstes („Google Shopping“) von der Europäischen Kommission mit einer Geldbuße von gesamt EUR 2,42 Milliarden belegt – und zwar auf Basis des kartellrechtlichen Marktmachtmissbrauchsverbots (Art 102 AEUV).

Was passiert ist?

In dem Verfahren ging es um die Frage, ob Google seine eigene Produktsuchmaschine („Shopping“) in den allgemeinen Suchergebnissen bevorzugt und damit andere Preisvergleichsdienste systematisch benachteiligt. Kritikpunkt: Wenn Google bei einer allgemeinen Google-Suche Produkte, Preisvergleiche etc ausliefert, erscheinen die Ergebnisse von Google Shopping oft besonders prominent – mit Bild, Preis, direktem Kauflink etc. Gleichzeitig sind Alternativen (andere Vergleichsportale) deutlich schlechter dargestellt zB in Form von einfachen Links weiter unten. Die europäischen Wettbewerbshüter sahen darin eine kartellrechtlich unzulässige „Selbstbevorzugung“ (self-preferencing) und damit einen Verstoß gegen das Marktmachtmissbrauchsverbot nach Art 102 AEUV.

Wo ist das (potentielle) Problem?

Mittlerweile hat die Europäische Kommission erneut ein Verfahren gegen Google wegen Selbstbevorzugung eingeleitet – dieses Mal aber auf Basis des DMA, an den sich Google als Gatekeeper ebenfalls halten muss. Nach Art 6 Abs 5 DMA ist es dem Suchmaschinenbetreiber untersagt, seine eigenen Produkte oder Dienstleistungen beim Ranking zu bevorzugen.

Relevanz des Doppelbestrafungsverbots?

Vor dem Hintergrund des Doppelbestrafungsverbots könnte Google nun argumentieren, dass eine erneute Untersuchung bzw Sanktionierung derselben Verhaltensweise gegen den ne bis in idem-Grundsatz verstoßen würde. Die nunmehr auf Basis des DMA erhobenen Vorwürfe erinnern jedenfalls stark an das bereits abgeschlossene Kartellverfahren nach Art 102 AEUV.

Der Fall Google Shopping zeigt, wie sich Kartellrecht und DMA in der Praxis überschneiden und wie dadurch grundrechtlich geschützte Verfahrensgarantien berührt werden können. Ob Google eine erneute Strafe nach dem DMA befürchten muss oder eine Doppelbestrafung aufgrund des ne bis in idem-Grundsatzes ausscheidet, bleibt mit Spannung abzuwarten.

Tags:

Google Google Shopping Kartellrecht Selbstbevorzugung Digital Markets Act DMA Doppelbestrafungsverbot Ne bis in idem

Arno Scharf

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(EU) Competition Law
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