
Förderjahr 2023 / Stipendien Call #18 / ProjektID: 6727 / Projekt: Gutes Wohnen in Smart Homes.
Was bedeutet gutes Wohnen?
Zunächst ergeben sich zwei Schwierigkeiten bei der Festlegung von gutem Wohnen: 1. Der Begriff ‚gut‘ und 2. Was gut im Kontext von Wohnen bedeutet.
Beim Begriff ‚Gut‘ handelt es sich um ein relativen und vagen Begriff. Vage deshalb, weil er an seinen Grenzen nicht eindeutig bestimmt werden kann und relativ weil er in der Philosophie als Bezeichnung für bestimmte ethische Konzepte genutzt wird die inhaltlich je nach Denktradition, Epoche und Philosophien unterschiedlich definiert werden. G.E. Moore ist sogar der Ansicht, dass ‚gut‘ ein einfacher, nicht weiter analysierbarer Begriff sei, der sich jeglicher Definition entziehe [7]. Das, was als gut bezeichnet wird erschließt sich also nicht von selbst. Es muss entweder definiert oder gezeigt werden. Darüber hinaus kann sich die Bedeutung je nach Kontext verschieben. Beispielweise mag eine Passivhaus gut für die Energiebilanz des Hauses sein und für mehr Komfort sorgen, gleichzeitig eine schlecht Atmosphäre erzeugen, die sich muffig, abgedichtet und ungemütlich anfühlen. [5]
Was bedeutet gut im Kontext von Wohnen?
Gegenwärtig wird das Gute des Wohnens in den Menschenrechten Art 11 Abs. 1 Recht auf Wohnen [2] festgelegt als auch in den jeweiligen Bauordnungen der Länder und Bundesländer z.B. das Bautechnikgesetzt in Salzburg (BauTG), Österreich oder die Bayrische Bauordnung (BayBo) in Bayern, Deutschland [6, 4]. Die Gesetzgeber konzentriert sich dabei vor allem auf die Deckung psycho-physischer, soziale und ökonomische Bedürfnisse wie Schutz, Wasser, Energie, bezahlbare Mieten usw. die funktional in den Gebäuden umgesetzt werden.
Es wird davon ausgegangen, dass ein gutes Wohnen dasjenige ist, dass die gesetzlich festgelegten Kriterien erfüllt.
Dabei wird das Gutes Wohnen ausschließlich auf der Ebene von praktischem Wohnen definiert. Es wird auf physisch-materieller und ökonomisch-funktionaler Aspekten ausgerichtet, die sich an empirischen Verhaltensanalysen orientieren. Dieses verkürzte Wohnmodell, dass auf die Summe addierbare Relationen, Funktionen und Bedürfnisse reduziert ist, ist nicht nur gesetzlich als praktischer Wohnstandard vorgeschrieben, sondern zusätzlich über die Architektur (Baustandards) als Normativ in die gebaute Umgebung eingeschrieben. Diese Herangehensweise übersieht das das Wohnen ein Multidimensionales Phänomen ist und reduziert es auf eine rein praktische Ebene des Wohnens als Lebensvollzug.
Multidimensionalität Die Multidimensionalität des Wohnen lässt sich nur schwer in ihren einzelnen Dimensionen fassen. Dennoch lassen sich die Dimensionen in mind. drei Ebenen thematisch bündeln: in die praktische, atmosphärische und die ontologische Ebene. Innerhalb der praktischen Ebene befinden sich all diejenigen Dimensionen die mit dem Wohnen als Tätigkeit zu tun haben. Tätigkeiten, die motiviert sind durch existenzielle Bedürfnisse wie Essen, Kochen, Schlafen, Waschen usw. aber auch „höheren“ Bedürfnissen wie das Befriedigen von Anerkennungs- und Statusbedürfnissen durch beispielsweise das Bewohnen eines exklusiv eingerichteten Penthouses.[3] Unter der sphärischen Ebene fallen all jene Dimensionen, die sich mit der gefühlten Wohnqualität auseinandersetzt – also das Herstellen von objektiven Raumstimmungen wie Geborgenheit, Sicherheit, Privatheit, Gemütlichkeit, Exklusivität usw. Die ontologische Ebene beinhaltet die Dimensionen die sich mit der Art und Weise des In-der-Welt-seins auseinandersetzten. Es geht dabei vor allem um die Sinn- und Bedeutungshorizonte, über die sich das menschliche Dasein in die Welt einfügt. Beispielsweise können wir uns parasitär in die Welt ein-wohnen, indem wir uns alle Dinge nehmen, die wir zum Leben und Wohnen benötigen, ohne darauf zu achten welche Auswirkungen dies auf unseren Wohnraum hat.
Multidimensionales gutes Wohnen in Smart Homes Gute Wohntechnik richtet sich gegenwärtig ebenfalls an physisch-materiellen und ökonomischen-funktionalen Aspekten aus. Sie berücksichtigt wenig bis gar nicht die (Neben-)Wirkungen auf die sphärische oder ontologische Ebene des Wohnens. Mit zunehmender Smartisierung des Wohnens und dem Implementieren von Mitdenkende und mitfühlende Wohnumgebungen stellt sich die Frage, ob eine Bewertung der Wohntechnik auf den bisherigen Grundlagen noch adäquat ist. Vor allem ubiquitäre System haben großen Einfluss auf die Wohnatmosphäre. Sie können im positiven das Gefühl von Sicherheit gerade bei älteren Bewohnerinnen durch ihre praktische Unterstützung bei tägliche Wohntätigkeiten erhöhen. Gleichzeitig können schnell Gefühle von ständigem Kontrolliert-sein entstehen, die dem Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit entgegenwirken.[1]
Gutes Wohnen in intelligenten Wohnumgebungen bedeutet die Wohntechnik hinsichtlich ihrer multidimensionalen Wirkung zu bewerten. Neben der praktischen Ebene sollten auch die sphärische Ebene die Wohn-Techno-Sphären berücksichtigt werden sowie auf ontologische Ebene die Sinn- und Bedeutungshorizonte überdacht werden.
[1] Damant J., et al. Smart home technology to support older people's quality of life: A longitudinal pilot study. Health and Social Care in the Community. 2016; 25: 1679–1703.
[2] Deutsches Institut für Menschenrechte. Artikel 11 Absatz 1 Recht auf Wohnen. https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/themen/wirtschaftliche-sozi….
[3] Flade A. Wohnen in der individualisierten Gesellschaft. Psychologisch Kommentiert. Wiesbaden: Springer; 2020.
[4] Art. 45 Aufenthaltsräume. Bayerische Bauordnung (BayBO); 01.08.2024.
[5] Flade A. Kompendium der Architekturpsychologie. Zur Gestaltung gebauter Umwelten, 1. Aufl. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden; Imprint: Springer; 2020.
[6] Gesamte Rechtsvorschrift für Bautechnikgesetz. § 20 Raumhöhe. Bautechnikgesetz (BauTG); 01.2016.
[7] Moore G. E. Principia Ethica, 2. Aufl. London: Cambridge University Press; 1922.
Theres-Antonia Bock

Derzeit konzentriere ich mich auf meine Dissertation im Bereich Digitalisierung des Wohnens.
Als Innenarchitektin durfte ich in den letzten Jahren miterleben, wie die Digitalisierung immer mehr in den Standard Wohnbau Einzug hält. Smart Buildings und Smart Homes ermöglichen eine effizienteres Facility-Management. Aus ökonomischer Perspektive macht es daher Sinn diese Technik voranzutreiben. Wie sieht es allerdings mit anderen Bereichen aus, die diese Technik ebenfalls beeinfluss? Mit dem Einzug der smarten Technologien in den Pflegebereich und damit in das assistive Wohnen stellen sich grundlegende ethische Fragen. Im Zuge meines Philosophiestudiums und späteren Forschung beschäftigte ich mich immer mehr mit dem Zusammenhang zwischen Technik- Mensch und dem Wohnen und stellte mir immer mehr die Frage, wie die Digitalisierung des Wohnens unser Verständnis vom Wohnen verändern wird.
Wird es ein gutes Wohnen bzw. Leben sein, wenn wir in Zukunft mit unserem Wohnraum kommunizieren?
Wird es ein gutes Wohnen bzw. Leben sein, wenn unser Wohnraum eine auf uns zugeschnittenes Wohnklima schafft?
Wird es ein gutes Wohnen bzw. Leben sein, wenn uns unser Wohnraum vollautomatisch alle unsere Bedürfnisse stillt?
Wie würde uns das als Menschen verändern? Wären wir noch in der Lage selbst Entscheidungen zu treffen? Wären wir noch in der Lage selbst zu wissen, was uns gut tut? Wären wir noch in der Lage für uns Verantwortung zu übernehmen?