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Status Quo
Aktueller Stand des Forschungsprojekts (03.04.2020)
Förderjahr 2018 / Stipendien Call #13 / ProjektID: 3227 / Projekt: Datenmissbrauch im Kartellrecht

Licht am Ende des Tunnels

Seit dem Abschluss des netidee-Fördervertrages sind mittlerweile knapp 1 ½ Jahre vergangen, in denen mein Dissertationsprojekt inhaltlich und umfangmäßig weit gediehen ist. Nun war die Abgabe des wissenschaftlichen Endberichts meiner noch nicht gänzlich fertiggestellten Arbeit fällig. Aufgrund der rasanten Entwicklungen im Bereich datengetriebener Geschäftsmodelle und dem damit verbundenen erhöhten Forschungsaufwand müssen sich interessierte Leser deshalb wohl noch ein bisschen gedulden, bis man das Werk tatsächlich in den Händen halten kann.

Trotz allem möchte ich euch einen kurzen Einblick in die relevanten Problemstellungen geben und einen kleinen Ausschnitt meiner bisherigen Forschungsergebnisse kurz anteasern. Ausführliche Ergebnisse sind dann der Endversion zu entnehmen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die (wirtschaftlichen) Besonderheiten der Digitalökonomie sowie die Funktionsweise mehrseitiger  Plattformen (siehe hierzu Blogbeitrag 3, abrufbar unter https://www.netidee.at/datenmissbrauch-im-kartellrecht/back-basics) einen differenzierten kartellrechtlichen Analyserahmen erfordern. Den Tatbestandsvoraussetzungen der Missbrauchskontrolle entsprechend, gilt dies sowohl für die (i) Marktabgrenzung, (ii) die  Bestimmung von Marktmacht sowie (iii) die Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Verhaltensweise.

(i) Marktabgrenzung

Nutzer zahlen in der Digitalökonomie regelmäßig keinen monetären Preis für die Nutzung der jeweiligen Plattform (bspw soziale Netzwerke, Suchmaschinen, etc); ihre Gegenleistung besteht vielmehr in der Preisgabe von Daten („Dienste gegen Daten“). Traditionell wurde für solche „Nullpreis-Märkte“ das Bestehen eines kartellrechtlich relevanten Markts abgelehnt. Mittlerweile kann jedoch davon ausgegangen werden, dass auch im Falle nicht-monetärer Austauschbeziehungen – wie in der Internetökonomie üblich („Dienste gegen Daten“) – Nutzermärkte abzugrenzen sind. Ist der Markt einmal abgegrenzt, können in einem nächsten Schritt die Marktverhältnisse analysiert und das Vorliegen etwaiger Marktmacht festgestellt werden.

(ii) Marktmacht

Wesentliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung ergeben sich in der traditionellen Ökonomie aus den Marktanteilen des betroffenen Unternehmens im relevanten Markt. Dabei ergeben sich in der Digitalökonomie mehrere Schwierigkeiten. Erstens, eignen sich preis- oder volumenbasierte Kennzahlen für die Berechnung von Marktanteilen (wie in der traditionellen Ökonomie üblich), nicht für die Feststellung von Marktmacht in der Digitalökonomie, wenn die Plattformleistung unentgeltlich angeboten wird („Dienste gegen Daten“). Zweitens, kann selbst bei Auffinden einer geeigneten Kennzahl und dem Vorliegen hoher Marktanteile angesichts der schnellen Marktveränderungen aufgrund disruptiver Innovationen in der Digitalökonomie nicht automatisch auf das Vorliegen von Marktmacht geschlossen werden. Heranzuziehen sind zusätzliche Faktoren wie etwa potentieller Wettbewerb, direkte und indirekte Netzwerkeffekte, die parallele Nutzung mehrerer Dienste zur Befriedigung desselben Bedürfnisses (Multi-Homing), die Höhe des  Wechselaufwands für den Nutzer, Größenvorteile im Zusammenhang mit Netzwerkeffekten, innovationsgetriebenen Wettbewerbsdruck sowie den Zugang zu bzw die Fähigkeit zur Verwertung von wettbewerbsrelevanten Daten.

(iii) Missbräuchlichkeit (datenbezogener) Verhaltensweisen

Erhebt ein marktbeherrschendes Unternehmen quantitativ und/oder qualitativ mehr Daten, als dies unter normalen Wettbewerbsbedingungen möglich wäre, liegt der Verdacht einer missbräuchlichen Verhaltensweise nahe. Nutzungsbedingungen bzw Datenverarbeitungskonditionen von Plattformbetreibern fallen unter den  Begriff der Geschäftsbedingungen des Konditionenmissbrauchs nach Art 102 lit a) AEUV. Die übermäßige Datensammlung durch den Plattformbetreiber auf Basis (zu weitreichender) Nutzungsbedingungen könnte demnach gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot verstoßen. Mit der wesentlichen Frage, ob und bejahendenfalls inwiefern außerwettbewerbliche Wertungen – wie bspw jene aus dem Datenschutz- oder Verbrauchschutzrecht – in die kartellrechtliche Missbrauchsanalyse miteinfließen sollen bzw müssen beschäftige ich mich derzeit. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang schließlich noch einmal auf das in Deutschland anhängige Verfahren gegen das soziale Netzwerk Facebook wegen des Verdachts des Marktmachtmissbrauchs auf Basis übermäßiger Datenerhebung, auf dessen Ausgang die Kartellrechtswelt gespannt blickt (siehe hierzu Blogbeiträge 1, 3 und 5).

Tags:

Kartellrecht Big Data Digitalökonomie Marktabgrenzung Marktmacht Martkmachtmissbrauch Facebook

Arno Scharf

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(EU) Competition Law
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