Ökonomische Aspekte personalisierter Preise
In diesem Blogbeitrag werden ökonomische Überlegungen zu Preisdiskriminierungen angestellt und ein kurzer Einblick in die drei Arten der Preisdifferenzierung gegeben. (09.09.2022)
Förderjahr 2021 / Stipendien Call #16 / ProjektID: 5653 / Projekt: Die Preispersonalisierung im E-Commerce

Preisdiskriminierung beschreibt in der Ökonomie die Praxis, für das gleiche Produkt unterschiedliche Preise zu verlangen. Eine Preisdiskriminierung bzw. Preisdifferenzierung liegt daher dann vor, wenn dieser unterschiedliche Preis sich nicht durch Qualitätsunterschiede begründen lässt. Ziel aller Preisdiskriminierungen ist es, die Preise nach der möglichen Zahlungsbereitschaft zu richten, dies unter Einbeziehung eines größtmöglichen Publikums. Hierbei wird in der Ökonomie zwischen drei Arten der Preisdiskriminierung unterschieden:

Preisdiskriminierung dritten Grades („Segmentierung“)

Bei der Preisdiskriminierung dritten Grades muss der Anbieter seine Kunden selbst in mehrere Gruppen unterteilen, die unterschiedliche Zahlungsbereitschaften aufweisen, daher spricht man hier auch oftmals von der personenbezogenen Preisdifferenzierung. Hierbei setzt der Anbieter für jede Gruppe ein Maximum, um durch die Differenzierung in verschiedene Gruppen einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen und gleichzeitig bestimmten Gruppen den Markt zu seinem Produkt zu eröffnen, die ohne diese Preisdifferenzierung dies nicht zu diesem Preis konsumieren würden. Beispiele für  Preisdiskriminierung dritten Grades sind Studenten- oder Seniorenrabatte, Wohnort, Familienstand oder das Geschlecht. Durch eine derartige Unterteilung in Gruppen kann es zu einer Erhöhung der Gesamtwohlfahrt kommen, wenngleich durch diese scharfe Unterteilung aufgrund eines Merkmals auch „Fehler“ passieren können. Beispielsweise wird es auch Studenten geben, die sich ein teureres Kinoticket leisten würden oder bei einer regionalen Unterteilung aufgrund des Wohnortes  wohlhabendere Menschen in durchschnittlich ärmeren Vierteln, jedoch ist auch eine unscharfe Aufteilung für dern Anbieter besser als ein Fixpreis ohne Preisdiskriminierung.

Denn hierdurch kann es zu einer Annäherung des Verkaufspreises an die Gewinnschwelle bei Realgütern kommen, jedoch wird aufgrund höherer Produktion auch der Produktionspreis weiter gedrückt. Auch kann es aufgrund gleicher Anbieterkosten ratsam sein, die Kapazität möglichst auszulasten (zB Kinosaal) und hierdurch einen höheren Gewinn ohne Mehrkosten zu erzielen.

Diese Art der Preisdiskriminierung wird von der Bevölkerung grundsätzlich akzeptiert, denn es kommt zu keiner Benachteiligung einzelner Gruppen, sondern zur Bevorteilung einiger weniger. Demnach wird es beispielsweise nicht als unfair empfunden, wenn Familien mit mehr als zwei Kindern einen Rabatt für weitere Skikarten erhalten, da für Familien mit zwei Kindern dadurch kein Nachteil entsteht.

Preisdiskriminierung zweiten Grades („Self-Selection“)

Bei der Preisdiskriminierung zweiten Grades kommt es entgegen der Preisdiskriminierung dritten Grades nicht zu einer Gruppierung durch den Anbieter, sondern zu einer Selbstselektion durch den Konsumenten: Der Anbieter muss hier keine Informationen über die Zahlungsbereitschaft des Einzelnen abschätzen, er weiß lediglich, dass Kunden mit bestimmten Präferenzen eine höher oder niedrigere Zahlungsbereitschaft aufweisen, jeodch nicht welcher potentielle Kunde diese aufweist. Hier kommt es durch die Vorgabe von Gruppen zu einer Wahl des Verbrauchers, zu welcher Gruppe er sich einsortieren möchte, dies kann durch Kopplung des Preises an die Menge (Mengenrabatte), qualitative Differenzierung (Anbieten von Sondereditionen bzw höher- bzw minderwertiger Ausgaben) oder durch zeitliche Preisdifferenzierung (zb höherer Verkaufspreis bei Produkteinführung oder unterschiedliche Preise zu bestimmten Tageszeiten) oder räumliche Differenzierung geschehen. Auch eine Möglichkeit wäre die Gewährung von Rabatten bei längeren Vertragslaufzeiten bzw Rabatten beim Kauf mehrerer unterschiedlicher Produkte des gleichen Herstellers („Bundling“).

Ähnlich der Preisdiskriminierung drittten Grades ist auch diese Art sozial akzeptiert, da hier der Verbraucher selbst entscheiden kann, welcher Gruppe er sich zugehörig fühlt und wie viel er bereit ist für ein Produkt zu bezahlen.

Preisdiskriminierung ersten Grades („Personalisierte Preise“)

Bei der Preisdiskriminierung ersten Grades, die auch perfekte bzw. vollständige Preisdifferenzierung genannt wird, kommt es zu einer vollständigen Aschöpfung der Konsumentenrente durch den Anbieter, daher wird von jedem Konsumenten die größtmögliche Zahlungsbereitschaft abgeschöpft und der Gewinn für den Anbieter maximiert. Diese ist die individuellste Form der Preisdiskriminierung, mit dem Ziel jeden Verbraucher abhängig seiner Leistungsfähigkeit und Kaufbereitschaft das für ihn maximal Mögliche bezahlen zu lassen.

Diese Arten der Preisdiskriminierung sind von dynamischen Preisen abzugrenzen: Hierbei handelt es sich um Preise, die aufgrund externer Faktoren, wie Lagerbestände, Wetterlage oder Saison beeinflusst und geändert werden.

Voraussetzungen für Preispersonalisierungen

Wie bereits genauer erörtert, haben sich Diskriminierungen zweiten und dritten Grades in unserer Gesellschaft etabliert und sind sozial akzeptiert.  Hinsichtlich der Diskriminierung ersten Grades gehen die Meinungen bezüglich sozialer Akzeptanz jedoch weit auseinander: Die Einführung der Preisdiskriminierung ersten Grades eröffnet grundsätzlich ein größeres Zielpublikum, da vormals überhöhte Preise an den einzelnen Kunden angepasst werden können, dies zum Vorteil Einzelner und der Gesamtwohlfahrt. Jedoch haben empirische Studien in der Kognitionspsychologie mehrfach belegt, dass das Modell des individuellen, maximalen Nutzens jedes Marktteilnehmers (Modell des Homo oeconomicus) nicht der Realität entspricht, sondern aufgrund unterschiedlichster, urteilsverzerrender Faktoren Entscheidungen durch das Individuum getroffen werden, die mit diesem Modell divergieren. Auch andere Modelle der Ökonomie sind nicht ausreichend und zielführend, da Marktteilnehmer oftmals durch Annahme falscher Tatsachen Gesamtsituationen verkennen, kontraintuitiv handeln oder unterschiedliche Präferenzen aufweisen. Diese Eigenschaften werden von Unternehmern durch Analyse und strategisch errichteter Rationalitätsfallen mittels personalisierte Werbung weiter verstärkt (Techniken wie „Nudging“  bzw „dark patterns“). Hinsichtlich personalisierter Preise könnten Verbraucher bereits über die Kenntnis der Individualisierung abgeschreckt sein und entgegen dem eigenen Vorteil handeln.

Auch die volkswirtschaftliche Sinnhaftigkeit von personalisierten Preisen ist in der Wissenschaft heftig umstritten: Einerseits kann es durch personalisierte Preise zu einem höheren Wettbewerbsdruck kommen und somit einen Nachteil für Unternehmer bedeuten, dies auch hinsichtlich der Kundenbindung, da Kunden gezwungen werden, Preisvergleiche selbst anzustellen (da Vergleichsportale obsolet werden) und sich Verbraucher nicht immer für die gleichen Händler entscheiden werden. Händler erleiden einen Reputationsverlust und können deutlich schwerer einen langfristigen Kundenstamm aufbauen. Andere Stimmen gehen davon aus, dass durch personalisierte Preise Händlern Vorteile wie Gewinn- und Umsatzsteigerungen, Kundengewinn und leichterer Markteintritt aufgrund fehlender Kundenbindung entstehen. Diese Vor- und Nachteile für Unternehmer sowie den wohlfahrtsökonomischen Nutzen personalisierter Preise gilt es zu analysieren und darzustellen, wer durch eine derartige Preissetzung profitieren wird bzw. welche unterschiedlichen Szenarien bei der Einführung von personalisierten Preisen bzw. Scoring möglich sind. Dies auch im Hinblick unterschiedlicher Kombinationsmöglichkeiten und Ausformungen von personalisierten Preisen (personalisierte Preise mit Standardprodukt, Standardpreis mit personalisiertem Produkt, personalisiertes Produkt mit personalisiertem Preis).

Neben der Ausgestaltung der Preissteuerung kommt es auf eine Vielzahl von Faktoren an, wie den Wettbewerb im Markt, die Möglichkeit von Arbitrage, das Verhalten der anderen Marktteilnehmer und der Annahme durch den Verbraucher selbst. Hier ist vor allem die Art der Datensammlung mitentscheidend und wie transparent die Preisbildung kommuniziert wird. Diese Informationsdivergenz entscheidet über den Grad der Asymmetrie im Markt, die in Extremfällen bis zum Marktversagen führen kann. Die Preiswahrnehmung, dh das Preisempfinden des einzelnen Marktteilnehmers, welche durch gezielte Werbung beeinflusst bzw. gesteuert werden kann und die Differenz zwischen den Herstellungskosten einer Sache und dem subjektiven, vom Konsumenten als gerechtfertigt wahrgenommenen Preis darstellt, ist maßgeblich auf die Beziehung eines Kunden zu einem Produkt zurückzuführen. Preiskenntnis, Preisdarstellung, Kundenwerbung oder Zeitdruck sind hier nur einige Faktoren, die die subjektive Wahrnehmung beeinflussen können.

All diese und weitere Faktoren, sowie gesellschaftliche Makrophänomene (wie Vertrauen, Kooperation oder Solidarität) können aufgrund ihrer Erscheinungsform und Intensität unterschiedliche Umverteilungseffekte zwischen den Marktparteien sowie zwischen den Verbrauchergruppen ergeben. Ziel dieser Analyse ist es daher, unter Zuhilfenahme unterschiedlicher ökonomischer Modelle und verhaltensökonomischer und spieltheoretischer Ansätze eine möglichst konkrete, realistische Annäherung an den Durchschnittsakteur im Markt zu treffen um unterschiedliche, mögliche Szenarien anhand verschiedener Maßstäbe, sowie deren Verteilungs- und Wohlfahrtsseffekte zu beurteilen.

Um die gewonnenen Erkenntnisse vergleichbar zu machen, wird parallel auf die ökonomischen und verhaltenswissenschaftlichen Wirkungen von Diskriminierungen zweiten und dritten Grades eingegangen (wie dem „Versioning“), die bereits in der Gesellschaft etabliert sind, sowie Auswirkungen von personalisierter Werbung gegenüber herkömmlicher Werbung unterschieden. 

Mag. iur. Felix Kodolitsch

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Felix Kodolitsch ist Dissertant an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz. Er arbeitet derzeit als Universitätsassistent am Institut für Zivilrecht, Ausländisches und Internationales Privatrecht im Arbeitsbereich von Institutsleiterin Univ.-Prof. Dr.iur. Brigitta Lurger LL.M. (Harvard).
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