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HEAT 2.0 in der Praxis
Erfahrungen bei der Evaluierung des digitalen Ausweiszwanges (06.06.2019)
Förderjahr 2018 / Project Call #13 / ProjektID: 3292 / Projekt: HEAT 2.0

- von Levin Wotke

Dem sogenannten „Hass im Netz“ wollte man den Kampf ansagen. Das war zumindest die Begründung, mit der die nunmehr ehemalige Bundesregierung im November 2018 ihre Pläne präsentierte, ein „digitales Vermummungsverbot“ gesetzlich zu verankern. Wenige Monate später wurde dann auch das „Bundesgesetz über Sorgfalt und Verantwortung im Netz (SVN-G)“ offiziell als Ministerialentwurf in den Nationalrat eingebracht.

Die Regeln der „real gelebten Welt“

Im Wesentlichen regelt der Entwurf, dass Betreiber*innen von Online-Foren ab einer gewissen Anzahl an User*innen, Höhe an Umsatz oder Presseförderung verpflichtet sein sollen, User*innen mit Vor- und Nachnamen sowie Adresse zu registrieren. Diese Daten sollten gespeichert werden und im Falle des Verdachtes einer Rechtsverletzung im Rahmen eines Postings an Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte, in bestimmten Fällen aber auch an Privatpersonen herausgegeben werden.

„Auf der Straße ist auch niemand mit Namensschild unterwegs, aber wenn ein Polizist ermittelt, muss er sich ausweisen können – darum geht es“, begründete der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz den Vorstoß, der auch als „digitaler Ausweiszwang“ bezeichnet wird. So beginnen folgerichtig auch die Erläuterungen zu dem Entwurf mit den Worten „In der digitalen Welt müssen die gleichen Prinzipien gelten, wie in der real gelebten Welt“.

Was sich tatsächlich hinter derartigen Statements verbirgt ist aber ein Gesetzesentwurf, der ob der oben genannten Verpflichtungen massive Eingriffe in verfassungsgesetzlich garantierte Rechte normiert.

Verletzungen von Grundrechten und Unionsrecht

Nachdem der Ministerialentwurf des Gesetzes vorlag, war daher auch klar, dass wir als epicenter.works eine Stellungnahme abgeben müssen, um die übermäßigen Grundrechtseingriffe und andere Unverhältnismäßigkeiten dieses Gesetzes klar aufzuzeigen.

Essentiell war dafür nicht zuletzt die Möglichkeit, auf die systematisch aufgearbeiteten rechtlichen Analysen aus dem Porjekt HEAT 2.0 zurückgreifen zu können. Neben dem Konflikt mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Vorratsdatenspeicherung und den darüber hinaus unionsrechtswidrigen Überwachungspflichten der Forenbetreiber*innen war es nämlich auch wichtig, die grundrechtliche Dimension einzuarbeiten.

Aufgrund der umfassenden rechtlichen Probleme und Grundrechtseingriffen war es eine wichtige Hilfestellung, auf die bereits bestehenden Analysen aus HEAT 2.0 etwa zum Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens oder zur Freiheit der Meinungsäußerung zurückgreifen zu können, um eine zielsichere und gleichzeitig umfassende Kritik des Ministerialentwurfes sicher stellen zu können. So konnte sich das Konzept eines Handbuchs zur Evaluierung von Überwachungsgesetzen schon vor seiner Fertigstellung erproben.

Nur ein kurzes Aufatmen

Die abgeschlossene Stellungnahme ist nun auch auf der Parlamentswebsite abrufbar, darin erklären wir auf 17 Seiten, warum der Gesetzesentwurf problematisch ist und wie gerade die in HEAT 2.0 erarbeiteten Evaluierungsparameter nicht beachtet wurden.

Aufgrund der Amtsenthebung der gesamten Regierung wird das SVN-G vor den Neuwahlen nun nicht mehr im Nationalrat beschlossen werden können. Das ist aber nur ein kurzer Grund zum Aufatmen. Damit ist nämlich keinesfalls gesagt, dass eine neue Regierung die Pläne nicht wieder aus der Schublade hervorholt, weshalb es umso wichtiger ist, die Problematik des Gesetzesentwurfes zu thematisieren. Vor allem ist es deshalb aber auch essentiell, an HEAT 2.0 weiterzuarbeiten, damit auch die Projekte zukünftiger Regierungen mit der fundierten rechtlichen Einordnung, die HEAT 2.0 im Endresultat bieten soll, durchleuchtet werden können.

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