Zur Beweglichkeit virtueller Werteinheiten – Teil 1
Sind virtuelle Werteinheiten bewegliche Sachen? (08.05.2023)
Förderjahr / Stipendien Call #16 / ProjektID: 5693 / Projekt: Kryptowerte in der Insolvenz

In Blog-Beitrag #5 wurde ergründet, dass virtuelle Werteinheiten den (weiten) Sachbegriff des § 285 ABGB zweifellos erfüllen. Daran anschließend wurde erläutert, dass virtuelle Werteinheiten als unkörperliche Sachen einzustufen sind. Nunmehr stellt sich die Frage, ob Kryptowerte den beweglichen oder unbeweglichen Sachen zuzuordnen sind.

Allgemeine Ausführungen

Relevant ist die Unterscheidung zwischen unbeweglichen und beweglichen Sachen speziell für die Begründung von Sachenrechten, wo für bewegliche Sachen prinzipiell das Traditionsprinzip und für unbewegliche Sachen das Intabulationsprinzip gelten. Sachen sind gemäß § 293 ABGB beweglich, wenn sie ohne Verletzung ihrer Substanz bewegt werden können. Die Tunlichkeit der Ortsveränderung ist nicht relevant, vielmehr ist die rein faktische Möglichkeit einer Ortsveränderung ausreichend. § 293 ABGB kommt nach der herrschenden Ansicht jedoch nur auf körperliche Sachen (arg „ohne Verletzung ihrer Substanz“) zur Anwendung. Für die Unterscheidung zwischen unbeweglichen und beweglichen Sachen ist primär die besondere Stellung von Grund und Boden als nicht vermehrbares Wirtschaftsgut relevant, das aufgrund dieser Charakteristik besonders schutzwürdig erscheint.

Als bewegliche Sachen sind daher beispielsweise elektronische Geräte, Kleidungsstücke und Internet-Domains zu betrachten, während zu den unbeweglichen Sachen Bauwerke und Liegenschaften sowie Zugehör einer unbeweglichen Sache zählen. Eine präzise Grenzziehung ist jedoch nur schwer möglich, weil sich die Beurteilung von Unbeweglich- und Beweglichkeit je nach Normzweck unterscheiden kann. Es gilt vielmehr kraft Auslegung zu prüfen, welche Eigenschaften eine Sache zur Anwendung einer konkreten Bestimmung aufweisen muss.

Rechte werden nach § 298 ABGB pauschal (im Zweifelsfall) als beweglich angesehen. Diese Unterscheidung ist bei Rechten jedoch nur dann zu treffen, wenn dafür eine rechtliche Notwendigkeit besteht. Falls eine Einordnung zu den beweglichen oder unbeweglichen Sachen nicht erforderlich ist, sind Rechte keiner der beiden Kategorien zuzuordnen.

Nachdem nunmehr Klarheit über die Grundlagen der Unterscheidung zwischen beweglichen und unbeweglich Sachen besteht, kann in einem nächsten Schritt – mit dem nachfolgenden Blog-Beitrag #9 – untersucht werden, welche jener Qualifikationen auf Kryptowerte zur Anwendung kommt.

Tags:

Beweglichkeit § 293 ABGB § 298 ABGB Unbeweglichkeit Virtuelle Währungen Kryptowerte Virtuelle Werteinheiten

Dr. Tobias Weidinger

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Dr. Tobias Weidinger hat seine Dissertation an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz verfasst. Während dieser Zeit arbeitete er als Universitätsassistent am Institut für Zivilverfahrensrecht und Insolvenzrecht im Arbeitsbereich von Vizedekanin und Institutsleiterin Univ.-Prof. Dr. Bettina Nunner-Krautgasser und war bereits während seines Studiums an zwei rechtswissenschaftlichen Instituten der Karl-Franzens-Universität als Studienassistent tätig.

Seine Forschungsgebiete umfassen insbesondere Insolvenzrecht, Zivilverfahrensrecht, Privatrecht, Legal Tech und IT-Recht. Dr. Weidinger arbeitete zuvor bereits als Rechtshörer am Landesgericht für Zivilrechtssachen in Graz, als Legal Intern bei zwei renommierten Kanzleien und war mehrere Jahre als freier Werbetexter tätig. Er war Lektor und Mitherausgeber des Law@Graz-Magazins, ehrenamtlicher Mitarbeiter der Fakultätsvertretung Jus und einige Jahre als Referent für Schulsport im Vorstand des Steirischen Badminton Verbandes (StBV) tätig.

Nunmehr ist Dr. Weidinger als Wirtschaftsjurist in der Privatwirtschaft tätig.

Skills:

Insolvenzrecht
,
Zivilverfahrensrecht
,
Zivilrecht
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IT-Recht
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Datenschutzrecht
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