Zur Beweglichkeit virtueller Werteinheiten – Teil 2
Sind virtuelle Werteinheiten bewegliche Sachen? (08.05.2023)
Förderjahr / Stipendien Call #16 / ProjektID: 5693 / Projekt: Kryptowerte in der Insolvenz

In Blog-Beitrag #8 wurde bereits einleitend ausgeführt, wodurch sich bewegliche und unbewegliche Sachen unterscheiden und welche Bedeutung jene Differenzierung für das österreichische Sachenrecht besitzt. Nunmehr wird die Frage beantwortet, ob Kryptowerte bewegliche oder unbewegliche Sachen darstellen.

Sind Kryptowerte beweglich?

Für die Einordnung von Kryptowerten unter die beweglichen oder unbeweglichen Sachen ist zunächst zu klären, ob diese unmittelbar unter §§ 293, 298 ABGB subsumiert werden können. Virtuelle Werteinheiten gehören nicht zur Kategorie der körperlichen Sachen (s Blog-Beitrag #6), weswegen eine unmittelbare Anwendung des § 293 ABGB auszuscheiden hat. Darüber hinaus ist mit der Innehabung von virtuellen Werteinheiten kein Forderungsrecht verbunden, weswegen eine unmittelbare Anwendung von § 298 ABGB ebenso auszuscheiden hat. Dennoch werden virtuelle Werteinheiten von einem Großteil der Literatur den beweglichen Sachen zugeordnet. Hierfür werden unterschiedliche Argumente angeführt: Bei virtuellen Werteinheiten sei eine Ortsveränderung auch ohne Verletzung deren Substanz möglich, unkörperliche Sachen könnten zwangslos unter § 293 ABGB subsumiert werden oder Kryptowerte seien bereits aufgrund ihrer natürlichen Charakteristika bewegliche Sachen.

Jener Ansicht ist zwar im Ergebnis zuzustimmen (siehe sogleich), die genannten Argumente überzeugen jedoch nicht vollends. Bei unkörperlichen Sachen wie virtuellen Werteinheiten ist eine Ortsveränderung gemäß § 293 ABGB bereits aufgrund der digitalen Natur ausgeschlossen. Hieraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass unkörperliche Sachen mangels Möglichkeit der Ortsveränderung unbeweglich seien, sondern vielmehr, dass eine unmittelbare Anwendung des § 293 ABGB nur begrenzt sinnhaftig ist. Mangels Ähnlichkeit des von § 293 ABGB erfassten Sachverhalts (Ortsveränderung einer körperlichen Sache) hat auch eine analoge Anwendung des § 293 ABGB zu unterbleiben.

Daher stellt sich die Frage, ob eine analoge Anwendung des § 298 ABGB auf Kryptowerte in Frage kommt. So spricht sich etwa Völkel (ÖBA 2017, 385 [387]) für eine Anwendung des § 298 ABGB auf virtuelle Werteinheiten aus, weil diese analog zu den Überlegungen der Literatur zur Internet-Domain den beweglichen Sachen zuzuordnen seien. Internet-Domains sind jedoch – im Gegensatz zu virtuellen Werteinheiten – den Rechte zuzuordnen, weswegen diese bereits unmittelbar unter § 298 ABGB fallen. Jene Argumentation ist für die Verortung von virtuellen Werteinheiten daher nicht hilfreich. Das heißt jedoch nicht, dass eine analoge Anwendung des § 298 ABGB auf Kryptowerte ausgeschlossen wäre: Vielmehr liegt – mangels anwendbarer Norm – eine Rechtslücke vor, die als planwidrig bezeichnet werden kann, weil der historische Gesetzgeber zum damaligen Zeitpunkt (im Jahr 1812) noch nicht von der Existenz von unkörperlichen Sachen wie virtuellen Werteinheiten ausgehen konnte. Eine Gleichbehandlung von Kryptowerten mit unbeweglichen Sachen wie Grund und Boden ist aufgrund der fehlenden Schutzwürdigkeit von virtuellen Werteinheiten abzulehnen; auch die Verkehrsbedürfnisse sprechen nicht für die Einordnung unter die unbeweglichen Sachen. Für die Charakterisierung von Kryptowerten als bewegliche Sachen spricht wiederum das Tätigwerden des Gesetzgebers im Rahmen der Gesamtreform des Exekutionsrechts (GREx), wo dieser die Exekution auf „Rechte aus virtuellen Währungen“ der Exekution auf (sonstige) Vermögensrechte zugeordnet hat. Nachdem eine ausdrückliche Regelung für Rechte in § 298 ABGB existiert, kann meines Erachtens anhand eines Größenschlusses vom Kleineren – dem relativen Recht – auf das Größere – die unkörperliche Sache Kryptowert – geschlossen werden, dass auch virtuelle Werteinheiten (im Zweifelsfall) den beweglichen Sachen zuzuordnen sind. Sofern eine Zuordnung nicht erforderlich ist, hat auch eine Einordnung der virtuellen Werteinheiten in die eine oder die andere Kategorie zu unterbleiben.

Dr. Tobias Weidinger

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Dr. Tobias Weidinger hat seine Dissertation an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz verfasst. Während dieser Zeit arbeitete er als Universitätsassistent am Institut für Zivilverfahrensrecht und Insolvenzrecht im Arbeitsbereich von Vizedekanin und Institutsleiterin Univ.-Prof. Dr. Bettina Nunner-Krautgasser und war bereits während seines Studiums an zwei rechtswissenschaftlichen Instituten der Karl-Franzens-Universität als Studienassistent tätig.

Seine Forschungsgebiete umfassen insbesondere Insolvenzrecht, Zivilverfahrensrecht, Privatrecht, Legal Tech und IT-Recht. Dr. Weidinger arbeitete zuvor bereits als Rechtshörer am Landesgericht für Zivilrechtssachen in Graz, als Legal Intern bei zwei renommierten Kanzleien und war mehrere Jahre als freier Werbetexter tätig. Er war Lektor und Mitherausgeber des Law@Graz-Magazins, ehrenamtlicher Mitarbeiter der Fakultätsvertretung Jus und einige Jahre als Referent für Schulsport im Vorstand des Steirischen Badminton Verbandes (StBV) tätig.

Nunmehr ist Dr. Weidinger als Wirtschaftsjurist in der Privatwirtschaft tätig.

Skills:

Insolvenzrecht
,
Zivilverfahrensrecht
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Zivilrecht
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IT-Recht
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Datenschutzrecht
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